Mich hat in diesen Tagen eine Frage umgetrieben, die mir vor einigen Tagen gestellt wurde und die nun auch Gegenstand dieses Textes ist: Soll man „Hartz IV“ abschaffen, ja oder nein?
Der Hintergrund ist klar: Die SPD diskutiert diese Frage. Und sie fängt an, Alternativen zu diskutieren, z.B. das „solidarische Grundeinkommen“, dass vom Regierenden Bürgermeister von Berlin, von Michael Müller in die Debatte gegeben wurde.

. Man kann diese Debatte als Nabelschau betrachten, als Wunden lecken der SPD, aber man wird damit dieser Debatte nicht gerecht. Klar, sie wird von der SPD anders, intensiver und manchmal auch binnenfixierter geführt. Aber auch das ist kein Wunder, ist doch die Agenda 2010 und die „Hartz-Gesetzgebung“ eng mit der SPD und ihrer Regierungszeit verbunden und bis heute Gegenstand von Konflikten und Ursache des großes Vertrauensverlustes zwischen der SPD und ihren Wählerinnen und Wählern.

Im März 2013, zehn Jahre nach der Regierungserklärung zur Agenda 2010, schrieb Heribert Prantl in seinem Kommentar „Die giftige Agenda“: „Ein Sozialstaat ist nicht das Schlaraffenland. Er verteilt nicht nur Überfluss, sondern auch Belastungen. Aber dabei gilt, dass der, der schon belastet ist, nicht auch noch das Gros der Belastungen tragen kann. Ein Sozialstaat gibt also nicht dem, der schon hat, und er nimmt nicht dem, der ohnehin wenig hat. Die Agenda 2010 hat das missachtet; diese Missachtung heißt Hartz IV: Die Schwachen werden belastet, die Starken entlastet.“

Soll man „Hartz IV“ abschaffen, ja oder nein? Das vorstehende Zitat, viele andere Berichte und Einschätzungen führen zu einem klaren Ja. Ich finde allerdings, dieses klare und in der Sache richtige Ja ist aber eine zu einfache Antwort. Denn die Frage, die sich stellt und die auch meine Partei solide und ausführlich beantworten muss, ist, was kommt stattdessen. Ich bin ganz ehrlich, ich kann nicht einschätzen, ob das „solidarische Grundeinkommen“ bundesweit machbar ist. Ich vermag nicht abzuschätzen, welche Auswirkungen es auf andere arbeitsmarktpolitischen Instrumente hat. Ich vermute, vielen anderen geht es sicherlich ähnlich. Die Idee des „solidarischen Grundeinkommens“ liest sich gut, aber bevor man es jubelnd unterstützt, sollten wichtige Fragen geklärt sein.

Das Signal muss klar sein: Wir wissen um Fehlentwicklungen, die ihren Ursprung vor gut fünfzehn Jahren in der „Hartz IV“-Gesetzgebung haben. Und es gehört zur (Neu-)Aufstellung meiner Partei, auch an dieser Stelle zu klaren Bewertungen und Entscheidungen zu kommen. Meine Partei ist jedoch gut beraten, keinen Schnellschuss zu fabrizieren. Parteivorstand und Bundestagsfraktion sollten gemeinsam eine Projektgruppe unter Einbeziehung von Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden bilden und ein solides Konzept erarbeiten.

Wann sollte es vorliegen? Das Arbeitsprogramm der SPD, dass auf dem Parteitag im Dezember 2017 verabschiedet wurde, sieht den Start des Prozesses „Kompass2018“ vor. Ziel ist es, innerhalb eines Jahres bis Ende 2018 zu einer mutigen und klaren innerparteilichen programmatischen Klärung zu kommen. Auf Grundlage dieser programmatischen Klärung soll nach dem außerordentlichen Parteitag 2018 ein Prozess zur Erarbeitung eines neuen Grundsatzprogramms eingeleitet werden. Ich finde, dieser angedachte Parteitag ist der richtige Zeitpunkt, dieses Konzept zur Überwindung von „Hartz IV“ mit einer klaren Alternative vorzulegen und deutlich zu machen: Ja, wir nehmen Erneuerung ernst.